Der Begriff der Scheinselbstständigkeit löst bei Freiberuflern, die besonders für einen Kunden arbeiten, aber auch bei ihren Auftraggebern, ein mulmiges Gefühl aus. Die Auftraggeber sind insbesondere daran interessiert, diesem Begriff so gut wie möglich auszuweichen, schließlich werden sie zum Arbeitgeber wider Willen, sollten sie einen scheinselbstständigen Mitarbeiter beschäftigen. Dies führt dann dazu, dass der Auftraggeber, der nun zum Arbeitgeber wider Willen wurde, mit kostspieligen Folgen konfrontiert ist. Schlimmstenfalls muss der jeweilige Arbeitgeber wider Willen überaus hohe Nachzahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen tätigen.
In kleineren Betrieben ist es oftmals der Fall, dass freie Mitarbeiter das gesamte Personal darstellen. Sogar Freiberufler geben gerne Teile umfangreicherer Projekte an weitere Freiberufler weiter. Generell ist gegen die Vergabe von Aufträgen an außerbetriebliche Dienstleister nichts einzuwenden, denn sie stellt sogar eine äußerst sinnvolle und effiziente Möglichkeit dar.
Vorteile der Auftragsvergabe sind, dass freie Mitarbeiter nicht pauschal, sondern nur für ihre erledigte Dienstleistung honoriert werden, dass freie Mitarbeiter keinen Lohnbuchhaltungsaufwand verursachen und dass sie selbst für die Steuern und die Sozialversicherung zuständig sind. Darüber hinaus haben freie Mitarbeiter auch keinerlei Anspruch auf Urlaubsgeld, sie erhalten keine Lohnfortzahlung, sollten sie erkrankt sein, und sie kommen nicht in den Genuss eines Kündigungsschutzes. Außerdem tragen freie Mitarbeiter selbst Sorge für ihr technisches Equipment und ihre kontinuierlich stattfindende Weiterbildung. Hinzu kommt, dass freie Mitarbeiter oftmals mit mehr Engagement arbeiten als Angestellte und natürlich autonomer sind.
Aufgrund der in Deutschland herrschenden Vertragsfreiheit können Auftraggeber und Auftragnehmer generell durchaus frei einen Dienst- oder Werkvertrag anstelle eines Arbeitsvertrages abschließen. Jedoch reicht es nicht aus, die erwünschte Zusammenarbeit lediglich als eine „freie Mitarbeit“ bezeichnen, denn die praktische Ausgestaltung der Kooperation ist eher der entscheidende Aspekt.
Sollte ein freier Mitarbeiter also tatsächlich die Aufgaben eines Angestellten erledigen und von seinem jeweiligen Auftraggeber weisungsabhängig sein, wie es normalerweise bei einem Arbeitgeber der Fall ist, so kann dem Freiberufler sein Status als Selbstständiger abgesprochen werden – entweder durch die zuständigen Sozialversicherungsträger oder im Zweifel durch ein Sozialgericht. Dies führt dann dazu, dass der Freiberufler ein Scheinselbstständiger ist.
Es ist wichtig, anzumerken, dass die Gesamtschau des jeweiligen Einzelfalles stets der entscheidende Faktor ist. Dementsprechend handelt es sich bei einem Scheinselbstständigen nicht generell scheinselbstständig, sondern stets nur in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit einem gewissen Auftraggeber – oder in diesem Fall besser gesagt: „Arbeitgeber“.
Argumente, die für den Verdacht einer Scheinselbstständigkeit sprechen
Es gibt hauptsächlich zwei Gründe dafür, dass die Wahl des jeweiligen Sozialversicherungsstatus – sprich: Selbstständigkeit oder Beschäftigung – nicht freigestellt wird und diese in Zweifelsfällen von staatliche Instanzen kontrolliert wird. Einer der Gründe ist es, dass Arbeitgeber davon abgebracht werden sollen, aus gewöhnlichen Arbeitnehmern ohne Weiteres ungeschützte freie Mitarbeiter zu machen, nur um die Lohnnebenkosten zu verringern und um das Arbeitsrecht wirkungslos zu machen. Der andere Grund dafür ist, dass hier die Sicherung des Beitragaufkommens zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung eine Rolle spielt. Schließlich ist es so, dass die Einnahmen der gesetzlichen Sozialversicherungen stärker verringert werden, je mehr Menschen die Tätigkeit eines selbstständigen Mitarbeiters anstelle die eines gewöhnlichen Arbeitnehmers ausüben.
Bei einem kleinen Unternehmen, welches ausschließlich freie Mitarbeiter beschäftigt, ist es eher unwahrscheinlich, dass der sozialversicherungsrechtliche Status eines Mitarbeiters aufgrund einer willkürlichen Stichprobenprüfung überprüft wird. Dies ist der Fall, weil die Kontrollen des Prüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung, welcher für diese Anlässe zuständig ist, gewohnheitsmäßig in Unternehmen durchgeführt werden, die sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen. Ansonsten wird bei faktischen Verdachtsfällen kontrolliert.
Ein Auftraggeber kann der Gefahr ausgesetzt sein, dass einer seiner freien Mitarbeiter aus freien Stücken seine angeblichen Arbeitnehmer-Rechte einfordert. Die Gedanken, die hinter diesem Vorhaben des jeweiligen Freiberuflers stecken können, müssen nicht unbedingt böswilliger Natur sein. Auch diffizilere persönliche Situationen – zum Beispiel eine Krankheit, eine finanziell schwierige Lage, ein Unfall oder eine Schwangerschaft – können einen freien Mitarbeiter zu dieser Entscheidung bewogen haben.
Im Falle, dass ein Arbeitsverhältnis wider Willen aus dem ursprünglichen Dienst- oder Werkvertrag wird, so folgen etliche Steuer- und Sozialversicherungspflichten. Diese Folgen können für den Arbeitgeber wider Willen eine kostspielige Angelegenheit darstellen, schließlich besteht die Sozialversicherungspflicht generell rückwirkend seit dem Beginn der jeweiligen Tätigkeit und sollte der scheinselbstständige Mitarbeiter sich in keiner Hinsicht kranken- und rentenversichert haben, so werden die zu entrichtenden Beiträge im Nachhinein erhoben. Hierbei trägt der Auftraggeber nicht nur die Haftung für den zu entrichtenden Arbeitgeberanteil, sondern ebenfalls für den Arbeitnehmeranteil.
Die Umsatzsteuer, die vom jeweiligen Mitarbeiter in Rechnung gestellt wurde, stellt ab der Feststellung einer Scheinselbstständigkeit zudem keine Vorsteuer mehr dar. Eventuell ist der Auftraggeber dazu gezwungen, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -erklärungen im Nachhinein ändern. Dies gilt ebenfalls bezüglich der Einkommenssteuer, da der Arbeitgeber für die Einkommenssteuervorauszahlungen in Form der Lohnsteuer Verantwortung tragen. Wenn ein scheinselbstständiger Mitarbeiter seine Einkünfte nicht versteuert hat, so ist es dem Finanzamt möglich, sich an den Auftraggeber zu wenden.
Hinzu kommt, dass ein Freiberufler, der vorher freier Mitarbeiter war und nun Angestellter ist, dem Auftraggeber gegenüber weitergehende Ansprüche geltend machen kann. Solche Ansprüche können die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub und Urlaubsgeld als auch mögliche weitere betriebliche Leistungen umfassen.
Ein Auftraggeber sollte bei der Gestaltung der Kooperation mit einem freien Mitarbeiter darauf achten, dass die Zusammenarbeit keineswegs einem Beschäftigungsverhältnis ähnelt. Ergo sollte der Auftraggeber darauf achten, dass er auf die fließende Einbindung des Auftragnehmers in den Betrieb des Auftraggebers verzichtet, sprich: ein fester Arbeitsplatz, ein eigener Telefonanschluss, eine eigene E-Mail-Adresse, die Einbeziehung des Auftragnehmers in die Urlaubs- und Vertretungsplanungen und weitere Aspekte sollten ausgelassen werden. Darüber hinaus sollte der Auftraggeber sogenannte Daueraufträge mit pauschalen Monatsabrechnungen und feststehenden Honoraren verzichten. Ein weiterer Tipp ist es, dem Auftragnehmer keine präzisen Arbeitsanweisungen und zeitlichen Vorgaben vorschreiben, welche über die bloßen Pflichthefte und Liefertermine hinausgehen, denn einem freien Mitarbeiter muss es überlassen werden, wie und wann er seine vorgegebenen Aufgaben erledigt.
Zu einer kniffligen Angelegenheit wird es stets, wenn eine simple Tätigkeit zu vergeben ist, welche gewöhnlicherweise von Arbeitnehmern erledigt werden – beispielsweise Reinigungsarbeiten oder Transportarbeiten. Als kritisch sind auch etwas anspruchsvollere Tätigkeiten wie Buchführungsarbeiten, Programmieren, Texten und Webdesign anzusehen, welche sowohl von Arbeitnehmern als auch von Freiberuflern erbracht werden können.
Sollten mehrere der erwähnten Merkmale für eine Scheinselbstständigkeit auf einen freien Mitarbeiter zutreffen, so sollte der Auftraggeber handeln. Insbesondere, wenn ein freier Mitarbeiter den Großteil seiner Wochenarbeitszeit über einen länger andauernden Zeitraum oder sogar unbefristet anbieten sollte. In solchen Situationen sollte der mögliche Auftraggeber vorher in sich gehen, überlegen, ob es eine sicherere Alternative gibt, ob der Auftrag in Form einer geringfügigen Beschäftigung, wie beispielsweise Minijobs, erledigt werden kann und ob der mögliche Auftragnehmer hinsichtlich seines sozialversicherungsrechtlichen Status gefragt werden kann, sodass er die Zweifel aus dem Weg räumen kann.
Sollten diese Ansätze zu keinem Erfolg führen, so kann der Auftraggeber bei seiner gesetzlichen Krankenkasse nachfragen, ob in diesem Sonderfall eine Scheinselbstständigkeit vorhanden sein könnte. Bei Projekten, die sich über einen längeren Zeitraum ziehen, ist zudem die Möglichkeit geboten, das förmliche Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung zu initiieren. Für dieses Verfahren entstehen übrigens keine Kosten.
Auch wenn Vorsicht angebracht ist, braucht man bei Tätigkeiten, die gewöhnlicherweise von Freiberuflern oder sonstigen Selbstständigen erledigt werden, keine Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen Scheinselbstständigkeit hegen, schließlich erübrigen sich diese Sorgen oftmals direkt zu Beginn oder nach kurzer Zeit.
Wenn man einen Spezialisten beauftragt, welcher über ein eigenes Büro und eigenes Personal verfügt, sich über mehrere Jahre auf dem Markt etabliert hat und für einige weitere Kunden arbeitet, so kann man davon ausgehen, dass es sich um keinen Scheinselbstständigen handelt.
Außerdem kann man sicher sein, wenn der mögliche Auftragnehmer über eine staatliche Zulassung verfügt – dies ist zum Beispiel bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Handwerksmeistern der Fall – oder wenn es sich um eine Personen- oder Kapitalgesellschaft handelt.
Obgleich das Thema in letzter Zeit immer weniger präsent in den Köpfen der Unternehmer ist, handelt es sich weiterhin um eine stets vorhandene Bedrohung für Auftraggeber und die jeweiligen freien Mitarbeiter, schließlich sind die Sozialversicherungskassen beinahe dauerhaft relativ leer.
Freie Mitarbeiter sollten sich um ihre Selbstständigkeit – oder Scheinselbstständigkeit – weniger sorgen, als um die potenziellen Kooperationspartner.
Wenn ein Auftraggeber im Nachhinein wider Willen zum Arbeitgeber eines langjährigen freien Mitarbeiters wird, könnte mit existenziellen Problemen konfrontiert werden.
Disclaimer:
Der Beitrag "Scheinselbständigkeit Freiberufler" bezieht sich auf Freiberufler in Deutschland. Die Rechtslage in Österreich & der Schweiz unterscheidet sich von den angesprochenen Maßnahmen im Beitrag.
Wie du auch neben dem Beruf als Freiberufler arbeiten kannst, erfährst du in unserem Beitrag nebenberuflich Freiberufler.